Wenn Sie selbst schon mal in der Kirche zu Prießnitz gewesen sind, dann können Sie von dieser Beschreibung nur enttäuscht sein. Denn das Besondere dieser Kirche muss man selbst erlebt haben. Barbara Vetter, seit 16 Jahren zuständige Pfarrerin, begrüßte mich schon mit den Worten: „Da brauchen Sie viel Platz, um alles zu beschreiben, was hier zu sehen ist.“
Um einen Anfang zu finden, frage ich, was das Besondere an der Kirche ist und sie nennt drei Punkte:
- Eine durch und durch evangelische Kirche
- Eine Kirche aus der Hand eines bzw. zwei Künstler gestaltet und
- Eine Kirche, die gelebt und geliebt wird, um die man sich kümmert und die lebendig ist.
Durch und durch evangelische Kirche – natürlich fällt einem da als erstes der Altar auf. Maßgeblich beteiligt war – wie bei der ganzen künstlerischen Gestaltung der Kirche – der holländische Maler Johann de Perre, der auch den Altar in Kohren malte. Wie in Kohren steht das Abendmahl im Mittelpunkt – ganz im Sinne von Martin Luther. In der Runde der Jünger ist der damalige Ortspfarrer Georg Thrylitzsch (mit Halskrause und Spitzbart) zu sehen und auch die anderen Jünger sollen damalige Bewohner Prießnitz darstellen. Im Sinne der reformatorischen Lehre sind dann im Altarraum noch ein prächtiger Taufstein und die Kanzel untergebracht. Also die zwei Sakramente Taufe und Abendmahl sowie „allein das Wort“, ganz im Sinne der Reformation. Damit der Prediger auch nicht die rechte Lehre vergisst, schaut er von der Kanzel auf sechs große und 22 kleine Bilder von Professoren und Pfarrern aus der Reformationszeit – also Vorgänger der Predigerin oder des Predigers. Nirgends findet sich ein Heiliger – also eine durch und durch evangelische Kirche.
Die künstlerische Handschrift verweist, wie schon genannt, auf den Holländer Johann de Perre. Natürlich sind ihm andere Künstler zur Seite gestanden, wie der Pegauer Jacob Wendelmuth. Doch maßgeblich stammt das Konzept sicherlich von dem Holländer selbst. „Die Kirche ist ganz im Stile der Renaissance und hat etwas Heiteres, Fröhliches an sich, obwohl es ja eigentlich eine Begräbniskirche ist“, so Barbara Vetter. Und ergänzen kann man, dass es ein durchgängiges künstlerisches Konzept hat, in dem jedes Detail stimmig ausgeführt ist. De Perre war Portraitmaler aus Leipzig – und so sind z.B. bei der Stifterfamilie, die unten im Altarbild dargestellt ist, jedes Gesicht individuell gestaltet. Der Taufstein und die Kanzel sind reich verziert und durchgängig bemalt. Vergoldete Bretter bemalt mit Blumen verbinden die vielen Bilder vor allem an der Kanzel. Alles individuell und einmalig ausgeführt. Und dann noch ein Blick auf die Patronatsloge. Die Fenster der Loge sind mit bemalten Butzenscheiben versehen.
Dort werden Tiere, Blumen, vor allem die in der Zeit so hoch gehandelte Tulpen, aber auch eine blühende Kartoffel dargestellt. Es ist ein Lob der Schöpfung. Übrigens weist Barbara Vetter auf ein kleines Detail in der Patronatsloge hin. Da wurde ins Holz oder ins Glas geritzt. „Wahrscheinlich haben die Kinder während der langweiligen Predigt sich betätigt, bis die Eltern es gemerkt haben und eingeschritten sind.“ Auch die Adelsfamilie ist halt eine ganz normale Familie.
Dann noch eine Kirche, die geliebt und um die sich gekümmert wird. Alles ist gepflegt, Blumen und Efeu laden zum Verweilen in die Kirche ein. Und bei Gottesdiensten „singt die Gemeinde kräftig mit und bringt ein herzhaftes Amen zustande“, wie die Pfarrerin berichtet.
Soviel haben wir nun von der Kirche berichtet – aber über die Geschichte wissen wir immer noch nichts. Prießnitz selbst wird 977 das erste Mal erwähnt – Kaiser Otto II schenkt „Bresnice“ – also Birkenhain – dem Bistum Merseburg, das die Christianisierung der einheimischen sorbischen Bevölkerung vorantrieb. „So ist anzunehmen, dass auf dem nun bischöflichen Wirtschaftshof schon sehr zeitig eine Kirche oder wenigstens eine Kapelle gestanden hat“, heißt es in dem Kirchenführer, der 2016 herausgegeben wurde. Doch mit der heutigen Kirche hat diese nichts zu tun. Im Turm fand man ein Balken aus dem Jahr 1521. Zu dieser Zeit stand also bereits an dieser Stelle eine Kirche. Sie war kleiner, ohne Seitenschiffe und sie war der Heiligen Anna geweiht, der Mutter Marias, die die Schutzpatronin der von Einsiedels und von Schleinitz war.
Prießnitz hat sicherlich sehr früh die Reformation eingeführt. Luther selbst soll bei seinen vielen Ausflügen nach Borna und Altenburg auch mal in Prießnitz gepredigt haben. Die Kirche war dazu zu klein – deshalb hat er von einer Linde vor der Kirche zu den vielen Besucherinnen und Besuchern gesprochen.
Die heutige Kirche – die stammt aus dem Jahr 1616. Damals traf den Kirchenpatron Hans von Einsiedel ein schwerer Schlag: Seine Frau Anna geb. von Schleinitz starb 32jährig und hinterließ sechs Kinder. Ihr Mann hat deshalb die Kirche umbauen lassen als Begräbnisstätte für seine Frau. Richtung Norden und Süden wurde sie erweitert, so dass die Form des griechischen Kreuzes entstand. Am 16. Mai 1616 begann der Umbau und am 5. September des gleichen Jahres wurde sie eingeweiht. Schon überraschend, wie schnell damals so ein Bau umgesetzt werden konnte. An der Südwand des Altarraums ist ein sog. Spendenschränkchen angebracht. Ganz oben steht das Zitat „Einen fröhlichen Geber libet Gott“. Wenn man es aufklappt, sind in den beiden Seitentafeln 34 Prießnitzer und 16 Trebishainer Bürger aufgeführt, die zur Finanzierung des Baus beigetragen haben. Wieviel genau, das steht in der Urkunde in der Mitte. Dort steht auch, dass den größten Teil der Patronatsherr selbst aufgebracht hat, nämlich 4052 Gulden. Wenn ich diesen Betrag in einen Währungsumrechner eingebe, komme ich auf circa 700.000 Euro heutigen Wert. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt – aber es ist viel Geld gewesen. In der Urkunde wird auch nochmals der Grund des Umbaus genannt: „Dass der „Kirchenbau .. fürnehmlich und zuförderst Gott zu Lob und Ehren .. vollführet ist“ und „zum liebreichen und guten Gedechtnis“ an die „in diesem Gotteshaus selig ruhenden, herzlieben hoch und wohlverdienten Jungfrauen Annen von Einsiedel.“
Damit ist das Programm der Kirche beschrieben. Denn alles ist auf das Gedächtnis an diese Anna ausgerichtet. Die Engel – und ich selbst haben vier gefunden – haben das Gesicht von Anna von Einsiedel. Welch große Liebe zwischen den Eheleuten geherrscht haben muss, zeigt auch das Gedicht von Hans von Einsiedel, das an der Patronatsloge angebracht ist und das gleichzeitig ein Zeugnis seines Gottvertrauens ist.
Ein Vers als Beispiel für diese beiden Seiten – so wie es geschrieben steht:
Ich must vorgehn in meiner Not
Ob meiner Allerlibsten Todt
Wann mir Gott nicht Trost täglich schickt
Und durch sein Wort mein Herz erquickt.
Das ist nur ein Beispiel von vielen, wie hier an Anna von Einsiedel gedacht wird. Nun müssen Sie sich selbst auf die Suche machen, um dieses liebende Gedächtnis zu entdecken – am Altar, an der Grabplatte und an manch anderen Stellen.